Teil 2: Der Jäger im Menschen
- Vicdan Bannasch

- vor 3 Tagen
- 12 Min. Lesezeit
Rückblick Teil 1: Erwartungen & Dopamin
Im ersten Teil ging es um das Zusammenspiel von Dopamin, Erwartungen und Bewusstsein. Darum, wie das Belohnungssystem uns in Bewegung hält, auch wenn wir längst genug getan haben. Wir haben gesehen, dass Dopamin kein Glückshormon ist, sondern das Molekül des Versprechens. Es nährt Hoffnung und Antrieb, lässt uns aber selten im Jetzt ankommen.
So entsteht die Wenn Dann Falle: Wenn ich erst genug geschafft habe, dann darf ich ruhen. Wenn ich verstanden werde, dann bin ich sicher. Doch echte innere Ruhe entsteht nicht durch Kontrolle oder Erreichen, sondern durch Bewusstsein, durch das Erkennen, was uns lenkt, bevor wir reagieren.
Bewusstes Erwartungsmanagement bedeutet, die Sprache des Gehirns zu verstehen und dem System beizubringen, dass Sicherheit auch ohne Jagd möglich ist. Es ist kein Konzept, sondern eine Haltung, die Selbstwirksamkeit stärkt und das Nervensystem entlastet.
Der erste Schritt zu Balance beginnt dort, wo Bewegung nicht mehr Flucht ist, sondern Ausdruck.
Kapitel 4: Der evolutionäre Jäger

Das Prinzip des Immerweiter. Wozu unser Gehirn nie satt wird
Kennst du diesen Jäger, der manchmal in Gesichtern zu sehen ist, die glauben, sie müssten noch ein Stück weiterlaufen, um endlich anzukommen? In uns lebt ein uralter Antrieb. Ein Jäger, der nicht ruht, weil sein Überleben einst vom Weitermachen abhing. Dieses Programm ist in unseren Nervenzellen gespeichert, im gleichen Dopaminsystem, das uns heute zum nächsten Ziel, zum nächsten Erfolg, zum nächsten Klick treibt.
Früher war genau diese Rastlosigkeit ein Segen. Heute wie ein Fluch. Wir spüren ihn noch heute, diesen rasenden Puls, den Adrenalinkick im Brustkorb, der keine Ruhe kennt. Vor zehntausend Jahren war die Erfolgsquote der Jagd winzig, oft nur sieben bis zehn Prozent. Dopamin belohnte jeden Hinweis auf Hoffnung, den Abdruck einer Spur, den Geruch einer Fährte, mit einem Schub an Motivation.
Es war die Kraft, die den Jäger trotz Misserfolgen weitermachen ließ. Aufgeben bedeutete den Tod. Wer suchte, fand Nahrung. Wer aufgab, verhungerte. Dopamin trieb an, jeder Spur nachzugehen, jeden Hinweis auf Erfolg. Es war der Antreiber, der uns durch Dürre, Gefahr und Dunkel trug. Diese alten Mechanismen suchen heute nach einer neuen Form, einem Update, das ihnen beibringt, mit Überfluss und Dauerreiz nicht zu kämpfen, sondern in ihm Ruhe zu finden.
Heute wirkt es weiterhin und wir jagen in einer Welt, in der die Beute nie ausgeht.
Die Jagd nach Liebe und Attraktivität
In dieser Jagd spiegelt sich auch die Balz unserer Zeit. Der Jäger in uns hat die Richtung geändert, nicht die Bewegung.
Schon damals konkurrierten Frauen miteinander. Nicht nur Männer balzten. Fruchtbarkeit war ihr Kapital, Jugend das sichtbare Zeichen von Potenzial.
Heute ist der Altersdurchschnitt höher. Viele laufen scheinbar unermüdlich dem Versprechen eines noch besseren Selbst hinterher. Sie jagen nach perfekter Liebe, optimaler Arbeit, einer idealen Welt, immer ein bisschen schöner, ein bisschen jünger, ein bisschen begehrter, ohne zu bemerken, dass sie sich immer weiter von dem entfernen, was sie eigentlich suchen. Viele sehnen sich sogar nach ihrem alten Ich, dabei war es genau dieses Ich, das sie in den Strom geführt hat, aus dem sie nun entkommen wollen.
Ob in Leistung oder Anziehung, beide reagieren auf denselben Mechanismus des Begehrt- und Bestätigtwerdens, gespeist aus demselben alten Programm.
Dopamin feuert bei jeder Aussicht auf Resonanz. Ein Blick. Ein Kompliment. Ein Like. Das Feuer brennt kurz. Danach bleibt Leere.
Wenn der Rausch der Balz nachlässt, wird das oft als Langeweile gedeutet. Die Liebe sei weg. In Wahrheit wechselt nur das System, vom jagenden Dopamin zur stillen Chemie der Bindung. Nach der Balz übernehmen andere Boten: bei Männern sinkt der Testosteronspiegel, während Oxytocin und Vasopressin steigen und Nähe, Fürsorge und Beständigkeit fördern. Bei Frauen verstärken Oxytocin und endogene Opioide das Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit. Dort, wo Ruhe einkehrt, beginnt Tiefe.
Schönheit vergeht, aber Bindung bleibt.
Wann merkst du, dass dein Gehirn schon weiter will, obwohl du längst angekommen bist?
Der Preis der Rastlosigkeit
Jede neue Benachrichtigung, jedes kleine Lob, jedes schnelle Ziel feuert die alten Überlebensstrategien an. Der Körper reagiert mit derselben Erwartungsspannung wie früher – nur dass die Beute heute digital, symbolisch oder sozial ist. Das Belohnungssystem unterscheidet nicht zwischen archaischem Erfolg und einem Like. Es schüttet Dopamin aus, sobald Hoffnung auf Belohnung entsteht.
Wir werden nicht süchtig nach Dingen, sondern nach Momenten der Möglichkeit, nach dem kleinen Aufleuchten vor dem Fang, dem Gefühl, kurz davor zu sein.
Die Jagd war nie das Problem. Das Problem ist, dass wir verlernt haben, anzuhalten. Der zivilisierte Mensch ist schon ein besonderes Tier, ständig auf der Suche nach dem, was ihm fehlt, und gelangweilt von dem, was er längst hat. So steckt er im Hamsterrad fest, wie in einem Strudel voller Erwartungen.
Wann spürst du wirklich Ruhe, wenn alles getan ist, oder wenn dein Inneres erkennt, dass es sicher ist?
Der Gegenspieler: Ruhe als Überlebensprinzip
Auch Ruhe ist ein biologisches Programm. Sie wurde vom Körper geschaffen, um Regeneration zu sichern. Während Dopamin nach vorn zieht, wirkt Serotonin als innerer Anker. Es senkt den Puls, stabilisiert die Stimmung, lässt uns verweilen. Wenn Dopamin Bewegung ist, ist Serotonin Verwurzelung.
Beide Systeme ergänzen sich. In der Steinzeit wechselten sie sich ab: Jagd und Ruhe, Hunger und Sättigung, Anspannung und Schlaf. Nur in dieser Abfolge konnte der Körper überleben. Heute jedoch bleibt der Motor an, selbst wenn keine Gefahr mehr droht. Das System kennt keinen echten Feierabend.
Wer ständig jagt, verliert das Gespür für das Feld, auf dem er steht.
Wie oft ertappst du dich dabei, schon wieder auf der Suche zu sein, obwohl alles da ist?
Zurück zur Balance
Die Kultivierung von Ruhe ist in Wahrheit kein Luxus, sondern eine Rückbesinnung auf deine biologische Intelligenz. Manchmal genügt es, zu sehen, wie das Gehirn reagiert. Dein Gehirn ist weder böse noch schwach – es ist einfach nur verständlicherweise überfordert von diesem konstanten Reizpegel.
Es ist erstaunlich einfach zu bemerken, wie von selbst der Ausstieg möglich ist. Schon das Spüren deines Fußes auf dem Boden, der bewusste Geschmack deines Kaffees oder das Beobachten deines Atems bringt die natürliche Ordnung zurück. Du musst den Schalter nicht durch harte Disziplin erzwingen, sondern kannst ihn sanft umlegen.
Das Gehirn lernt Sicherheit nicht durch Worte, sondern durch Erfahrung.
Wenn der Körper Sicherheit und Genuss spürt, wird Dopamin leiser. Dann kehrt das Gleichgewicht zurück, und aus Jagd wird Dasein. Das ist kein Ende der Motivation, sondern ihr Ursprung, die stille Kraft, die uns trägt, wenn das Tun nicht mehr Kampf ist, sondern Ausdruck.
Der wahre Fortschritt beginnt, wenn Bewegung aus Stille entsteht.
Wann fühlt sich Fortschritt für dich wirklich stimmig an, wenn du vorwärtsgehst oder wenn du still wirst?
Kapitel 5: Fremde Erwartungen

Die Last des geerbten Sollen im Leben
Wir werden nicht leer geboren. Schon bevor wir denken, haben wir gelernt, was wir sollen. Eltern, Lehrer und Freunde schreiben mit an unserem inneren Drehbuch. Aus Zuneigung wird Anpassung, aus Lob wird Währung. Das Gehirn registriert jede Bestätigung wie Zucker: kurz süß, dann leer.
Kinder sind biologische Kopiermaschinen. Sie scannen und übernehmen unsere Muster, Tonfälle und Haltungen, lange bevor sie den Inhalt verstehen. Wir Erwachsenen liefern unbewusst die Originale.
Nicht jede Forderung, die dich antreibt, ist wirklich deine eigene.
In diesen Momenten entsteht eine stille Verwechslung. Wir glauben, Liebe, Zuneigung müsse verdient werden, statt erfahren zu werden. So beginnt das Leben im Modus des Müssens.
Welche Forderungen in dir stammen wirklich von dir – und welche hast du irgendwann übernommen?
Die unsichtbare Erziehung
Manchmal leben wir nicht nach dem, was andere tatsächlich erwarten, sondern nach dem, was wir glauben, dass sie erwarten. Unser Gehirn reagiert nicht auf reale Stimmen, sondern auf vorgestellte Urteile. Diese innere Bühne erzeugt denselben Stress wie echte Kritik, nur dass sie in uns selbst wohnt.
Nicht der Blick der Anderen lenkt uns, sondern der, den wir uns selbst aufgetragen haben.
Wie oft verwechselst du Sicherheit mit Anpassung, ohne es zu bemerken?
Zwischen Pflicht und Identität
Das Sollen ist trügerisch. Es klingt nach Verantwortung, fühlt sich aber oft nach Enge an. Wer zu lange den Erwartungen anderer folgt, verliert die Stimme des Eigenen, nicht aus Schwäche, sondern aus Gewohnheit. Das Belohnungssystem löscht mit jeder Bestätigung ein Stück Individualität.
Wenn der Körper protestiert, verteidigt er nicht Schwäche, sondern Identität.
Wann verteidigt dein Körper wirklich dich und wann nur deine alten Muster?
Die gesellschaftliche Maske
Auch die Gesellschaft belohnt das Sollen. Erfolg, Effizienz und Dauerpräsenz aktivieren denselben neurologischen Kreislauf wie früher das Lob der Eltern. Dopamin reagiert nicht auf Wahrheit, sondern auf Erwartung. Wir lernen, Anerkennung zu jagen, statt Resonanz zu spüren.
Doch das System kennt kein Genug. Der Moment der Bestätigung ist zu kurz, um zu nähren. So entsteht das Gefühl, immer zu wenig zu sein. Die Folge: Wir passen uns weiter an, bis das Eigene leiser wird.
Gesellschaftlicher Applaus ersetzt keine innere Zustimmung.
Wann ersetzt du echten inneren Frieden durch äußeren Applaus?
Die Spurensuche
Spurensuche heißt nicht Schuld finden, sondern Herkunft verstehen. Es geht nicht darum, in der Vergangenheit zu graben, sondern die Programme im Jetzt zu erkennen. Jedes erlernte Sollen war einmal Schutz. Heute darf es neu bewertet werden. Das ist kein Verrat an der Herkunft, sondern ein Update für die Gegenwart.
Heilung beginnt dort, wo dir bewusst wird, dass du deinen alten Schutz nicht mehr brauchst.
Wann merkst du, dass du deinen alten Schutz nicht mehr brauchst?
Das innere Update
Enttäuschung tut weh, weil sie das Licht anschaltet. Sie zeigt uns, wo wir uns getäuscht haben. Die täuschende Erwartung hat mich verleitet, sie war ein Versprechen, das nie eingelöst wurde. Enttäuschung hilft, unrealistische Erwartungen zu korrigieren und fördert so die Balance zwischen der Jagd nach Bestätigung (Wanting) und echter Zufriedenheit (Liking).
Freiheit beginnt, wenn Sollen zu Mögen wird.
Wie würde sich dein Leben verändern, wenn aus Sollen wirklich Mögen werden dürfte?
Kapitel 6: Vom Jäger zum Genießer, Wanting vs. Liking
Die Jagd im Inneren
Das Gehirn jagt, der Körper sehnt sich nach Ruhe. Sehr häufig bemerkst du, wie der Körper schon müde ist, während der Kopf noch rennt. In uns lebt beides, der Jäger der aufbricht, und der Genießer, der verweilen will. Dopamin zieht nach vorn, Opioide halten still. Zwischen ihnen liegt unser Alltag, ein ständiges Pendeln zwischen Sehnsucht und Zufriedenheit. Verlangen bewegt, Freude verankert.
Dopamin zeigt dir, wohin du schaust, nicht, was dich nährt.
Der Kreislauf der Erwartung
Im Gehirn reagiert jedes Ziel auf dieselbe Weise: Vorfreude, Aktivierung, Enttäuschung, Anpassung. Der Reiz entsteht im Moment der Erwartung. Sobald das Ziel erreicht ist, fällt der Pegel.
Das erklärt, warum Glücksmomente so kurz wirken – sie waren nie dafür gemacht, dauerhaft zu sein.
Die Evolution wollte, dass wir weitergehen, nicht dass wir bleiben. Doch unser Bewusstsein erlaubt uns, den Kreislauf zu unterbrechen. Nicht indem wir das Wollen abstellen, sondern indem wir es verstehen.
Zufriedenheit entsteht nicht, wenn das Feuer erlischt, sondern wenn du lernst, darin zu tanzen.
Der Unterschied zwischen Wanting und Liking
Wanting ist der Impuls, der dich vorantreibt. Liking ist die Fähigkeit, zu genießen. Beide sind notwendig – ohne Wanting keine Bewegung, ohne Liking keine Erfüllung.
Dopamin feuert beim Versprechen. Opioide, Oxytocin und Serotonin reagieren auf das Erleben. Wenn diese Systeme im Gleichgewicht sind, entsteht Kohärenz. Du kannst dich freuen, ohne getrieben zu sein, und handeln, ohne zu hetzen.
Bewegung und Ruhe sind keine Gegensätze, sondern zwei Formen derselben Energie.
Die Falle des Immermehr
In unserer modernen Welt wird Wanting permanent stimuliert. Werbung, soziale Medien und Leistungsdruck nähren das Gefühl, etwas zu verpassen. Das Gehirn reagiert auf jede neue Möglichkeit mit demselben alten Reflex. Mehr bedeutet Sicherheit.
Doch wer ständig jagt, verliert die Fähigkeit zu schmecken. Der Dopaminspiegel bleibt hoch, die Empfindung bleibt flach. Wir verlernen kleine Momente zu würdigen, weil das System auf das Nächste wartet.
Wer immer sucht, verliert das Finden.
Das bewusste Umlenken
Das Ziel ist nicht, weniger zu wollen, sondern bewusster. Wanting darf bleiben, aber unter neuer Führung. Wenn das Bewusstsein die Richtung vorgibt, wird Dopamin zum Werkzeug statt zum Kompass.
In der Hypnotherapie sprechen wir von Umverknüpfung. Der Reiz, also das Wollen bleibt bestehen, doch seine Bewertung ändert sich. Die Energie, die früher in die Jagd floss, steht nun für Gestaltung zur Verfügung. Das System lernt, dass Sicherheit im Erleben liegt, nicht im Erreichen.
Dopamin verliert seine Macht, wenn du ihm Bedeutung gibst, statt ihm zu folgen.
Die Ruhe im Genug
Liking ist die Kunst, im Jetzt zu bleiben. Sie wächst, wenn das Nervensystem Sicherheit spürt. Wenn du atmest, bevor du reagierst. Wenn du schaust, ohne zu wollen.
Das Gleichgewicht entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Gewahrsein.
In diesem Zustand arbeitet das Gehirn kohärent. Die Netzwerke von Belohnung, Achtsamkeit und Integration stimmen sich aufeinander ab. Es entsteht ein Zustand tiefer Zufriedenheit, der weder Rausch noch Stillstand ist.
Zufriedenheit ist kein Ziel, sondern ein Rhythmus, den du lernen kannst zu hören.
Die unsichtbare Trennung

Das Belohnungssystem ist kein einziger Strom, sondern zwei Flüsse, die selten gemeinsam fließen. Dopamin weckt das Wollen, die Suche, das Dranbleiben. Es ist die Spannung, bevor etwas geschieht. Opioide schenken das Lösen, das Sinken, die Ruhe nach dem Erreichen. Doch unser Zeitalter hat den ersten Fluss überflutet und den zweiten fast versiegen lassen. Seltsam, dass wir diese beiden Flüsse so oft verwechseln und dann über die Flut klagen.
Wir sind vertrauter mit Vorfreude als mit Erfüllung. Vertrauter mit Sehnsucht als mit Sättigung. Unser Gehirn bleibt im Suchmodus, auch wenn alles längst da ist.
Wann verwechselst du Bewegung mit Lebendigkeit?
Die Gewöhnung
Das Erreichte wird zu schnell zu normal. Kaum ist ein Ziel erreicht, wird es zur neuen Basis. Was eben noch Belohnung war, ist plötzlich selbstverständlich. Das Gehirn verschiebt die Null-Linie. Die Achse des Diagramms wandert nach oben und obwohl die Kurve steigt, bleibt der Abstand gleich. So wächst das Leben nach außen, ohne sich innen größer anzufühlen.
Gehaltserhöhungen, Urlaube, neue Wohnungen, selbst Genesung verliert ihren Glanz, wenn das System weiter nach Steigerung verlangt. Wir leben längst über der Normallinie und empfinden doch Mangel. Das Glück hält nicht Schritt mit der Statistik.
Wenn alles selbstverständlich wird, verlernt das Gehirn zu staunen.
Wir leben in einer Welt, in der das Neue kaum Zeit hat, alt zu werden. Ein neues Tattoo, die nächste ästhetische Korrektur, ein weiteres Ziel. Noch bevor die Haut heilt, entsteht der Wunsch nach mehr. Höher, weiter, schöner. Ein kurzer Rausch, ein helles Aufleuchten, dann Stille. Das Glück vergeht, bevor es angekommen ist.
Und dann gibt es das andere Glück. Jemand schenkt dir etwas Selbstgemachtes, nicht perfekt, nicht glatt. Vielleicht mit kleinen Fehlern, mit der Spur der Hände, die es geschaffen haben. Du stellst es hin, als wäre es ein Heiligtum. Nicht, weil es makellos ist, sondern weil es berührt. Weil es echt ist.
Das eine sucht Bewunderung.Das andere schenkt Bedeutung.
Die Langeweile danach
Manchmal nennen wir es Müdigkeit. Manchmal Sinnsuche. In Wahrheit ist es ein biologischer Entzug. Dopamin fällt, und anstatt Ruhe zu spüren, entsteht Leere. Das Gehirn fragt nach dem nächsten Reiz, als könnte er die Stille übertönen. Doch in dieser Stille liegt das, was wir suchen: das sanfte Wiederkehren der Empfindung. Das Spüren ohne Ziel.
Leere ist nicht das Fehlen von Sinn, sondern die Einladung, ihn neu zu spüren.
Hedonia und Eudaimonia
Wir jagen nach Glück, doch oft jagen wir nur nach seiner Lautstärke. Das hedonische Glück, Hedonia, nährt sich von Momenten, vom Reiz, von der Bestätigung. Es glitzert, es ruft, es lässt uns kurz aufleuchten. Es lebt von äußeren Umständen und flieht, wenn die Bühne leer ist.
Eudaimonia dagegen wächst leise. Sie hat kein grelles Kleid, keinen Auftrag. Sie prahlt nicht. Sie entsteht, wenn das Wollen still wird und der Mensch in Übereinstimmung mit sich selbst lebt. Dieses Glück braucht keine Zuschauer. Es atmet, wenn du innehältst.
Hedonia übertönt. Eudaimonia hört zu.
Vom Wollen zum Sein
Bewusstsein ist die Brücke zwischen diesen beiden Welten. Es erkennt, wann die Jagd endet und der Genuss beginnen darf. Es erlaubt dem Nervensystem, die Bewegung loszulassen, ohne den Sinn zu verlieren. Dann wird Glück nicht mehr gesucht, sondern empfunden.
Dieses Glück ist still. Kein Prahlen, kein Hochmut, keine Eitelkeit. Hedonia übertönt es. Übermalt es mit ihren Auffälligkeiten. Sie trägt immer ein grelles Kleid und läuft im Auftrag der Welt. Temporär. Laut. Abhängig von äußeren Umständen.
Eudaimonia dagegen bleibt. Sie lebt nicht vom Haben, sondern vom Sein. Sie beginnt dort, wo das Streben endet.
Erfüllung beginnt, wenn das Wollen still wird und das Spüren sprechen darf.
Meta-Reflexion: Der Text, der zu mir wurde
Dieses Kapitel ist nicht geschrieben, um zu glänzen. Es ist gewachsen, um still zu werden. Zwischen Dopamin und Bedeutung suchte ich eine Sprache, die nicht jagt. Eine Sprache, die nicht überzeugen will, sondern verweilt.
Ich wollte verstehen, wie Glück sich im Gehirn bewegt und entdeckte, dass es sich auch in mir bewegt. Dass Erkenntnis nicht im Wissen liegt, sondern im Atem zwischen zwei Gedanken.
Das Schreiben selbst wurde zum Übergang, vom schnellen Denken zur ruhigen Wahrnehmung, vom Bedürfnis, etwas zu sagen, zum Lauschen auf das, was sich zeigen will.
Eudaimonia ist kein Zustand. Sie ist die Haltung, in der Worte aufhören, Beweis zu sein. Vielleicht ist dieses Kapitel deshalb weniger Text als Spiegel, für den Moment, in dem das Wollen still wird und das Spüren endlich sprechen darf.
Kurzes Resümee
Teil 1 hat gezeigt, wie das Belohnungssystem uns in Bewegung hält, selbst wenn das Ziel längst erreicht ist. Wir haben verstanden, dass Dopamin kein Feind ist, sondern ein Antrieb, der Bewusstsein braucht. Teil 2 hat diesen Bogen weitergeführt, von der Jagd des Jägers bis zum leisen Innehalten des Menschen von heute. Es macht sichtbar, wie tief die alten Überlebensprogramme in uns wirken und dass Ruhe kein Stillstand ist, sondern die Rückkehr zur inneren Führung.
Ausblick auf Teil 3
Teil 3 widmet sich der Balance. Wie wechseln wir verlässlich vom Jagen ins Verweilen? Welche Rituale nähren Bindung, Bedeutung und Ruhe? Wir übersetzen die Neurobiologie in klare, geerdete Schritte, die tragfähig bleiben, auch wenn es laut wird.
Wenn Dich dieser Beitrag berührt hat und Du spürst, dass etwas in Dir in Bewegung kommt, dann nimm Dir einen Moment Zeit, nachzuspüren. Veränderung beginnt oft dort, wo Klarheit entsteht, wo Du erkennst, dass etwas in Dir verstanden werden möchte. Aus dieser Klarheit wächst allmählich innere Ruhe, Vertrauen und ein bewussterer Umgang mit Dir selbst.
In meiner Praxis Hypnotherapie Bannasch in Hannover begleite ich Menschen in Phasen von Belastung, Orientierungssuche und persönlicher Veränderung. Schwerpunkte meiner Arbeit liegen in Hypnotherapie, traumasensibler Begleitung, Selbstwert und Ressourcenstärkung, Stress und Emotionsregulation sowie achtsamer Gesprächsführung.
Mehr über meine Arbeit findest Du auf www.hypnotherapie-bannasch.de
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